Pissoir als Ort der Anbahnung

Anrainer machten heimlich Fotos

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In Graz war ab 1853 „jede Verunreinigung der Trottoire und Gassen der inneren Stadt, außer den bestehenden Aborten“ mit Geldstrafe geahndet. Notwendig war dadurch die Errichtung von öffentlichen Pissoirs: 1873 gab es davon in Graz 43, wovon erst vier mit Wasser gespült waren. In 34 davon war die Einrichtung einer Spülung möglich, 20 davon waren mit Holz oder Stein verkleidet, 14 waren aus Eisen. Eines dieser Pissoirs befand sich, mit Brettern etwas abgeschirmt, bei einem Mauervorsprung in der Andrägasse 1 und 3, heute gegenüber Andrägasse 2.  Beklagt wurde nicht nur Geruchsbelästigung und das Faktum, dass sich dieser Ort direkt in Front der Barmherzigenkirche befand. Offenbar war das Pissoir auch für gleichgeschlechtliche Anbahnung geeignet und 1887 wurde geklagt: Ein „Beweis des Anstoßes“ für diesen Ort könne man sich verschaffen, da „man denselben von den niedern Volksschichten, die von Beginn der Dunkelheit bis zum Morgengrauen an dieser Stelle zu unsittlichen Rendecvous geben, förmlich belagert finden“ könne, was „alsdann sehr häufig zu Tumulten führt.“

Abhilfe schuf dann ein Pissoir in der Limonigasse. Erst 1931 wurde auf dem heute freien, von der Annenstrasse, Dominikanergasse und Vorbeckgasse begrenzten Platz eine „öffentliche Bedürfnis-Anstalt“ für Männer und Frauen, gepflegt und beobachtet von einer Wärterin, vom Stadtbauamt errichtet. Generell erfolgte die Errichtung von modernen WC-Anlagen, getrennt für Männer und Frauen, in Graz ab den 1890er-Jahren. Beispiele dafür sind die unter Denkmalschutz stehenden Pavillons aus Gusseisen im Stadtpark in der Maria-Theresien-Allee bzw. neben der Oper in der Franz-Graf-
Allee oder das WC-Häuschen im Volksgarten.